Mercedes-Benz Vorständin Britta Seeger: „Ich war schon als Kind angstfrei“ (2024)

Wenn Britta Seeger joggt oder im Flieger sitzt, wissen ihre engsten Mitarbeiter, es kommt Arbeit auf sie zu.

„Auf Langstreckenflügen und beim Joggen bin ich besonders kreativ“, erzählt sie BILD. „Als ich zweieinhalb Jahre für Mercedes in Südkorea arbeitete und regelmäßig diese Elf-Stunden-Flüge nach Stuttgart hatte, war mein Team immer sehr gespannt, welche Themen ich ihnen wohl mitbringe.“ Sie lacht. „Im Wald erlaufe ich mir Antworten auf Fragen, die mich umtreiben, und im Flugzeug kann man wunderbar reflektieren. Das genieße ich. Darum finde ich die schlechteste Errungenschaft im Flugzeug WLAN. Es war ein Safe Space, jetzt nicht mehr. Viele Manager stressen sich jetzt auch noch in der Luft. Ich nicht.“

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Die 54-Jährige, geboren in Bonn, aufgewachsen in Fellbach bei Stuttgart, ist es gewohnt, Lösungen zu finden, beruflich wie privat. Seit Januar 2017 ist Britta Seeger Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG (bestellt bis Dezember 2029) und verantwortet mit ihrem Team (30 000 Mitarbeiter weltweit) Vertrieb und Marketing des Automobilriesen. Und: Sie ist Mutter von Drillingen, zwei Jungen, ein Mädchen, inzwischen 22 Jahre alt und flügge.

„Unsere Kinder gehen ihre eigenen Wege. Mein Erstgeborener studierte in Maastricht, macht jetzt eine Ausbildung zum Werbetexter. Der Mittlere hat eine Schreinerlehre gemacht, arbeitet seit einem Jahr als Geselle. Unsere Tochter studierte Environmental Engineering in Finnland, macht gerade ihr finales Auslandssemester in der Schweiz. Wir sitzen als Familie nicht ständig zusammen. Aber wir schauen schon, dass wir uns alle regelmäßig sehen. Und natürlich telefonieren wir viel und schreiben in unserer Familien-WhatsApp-Gruppe. Über Weihnachten gehen wir als Familie Ski fahren, das hat Tradition.“

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Die Betriebswirtin hatte immer den Wunsch, Mutter zu werden– und Vollzeit zu arbeiten „beim Daimler“, wie die Stuttgarter sagen. „Dass es auf einen Schlag drei Kinder werden, konnten mein Mann und ich nicht planen, das war der Sechser im Lotto mit Zusatzzahl.“ Hatten Sie Angst vor einem möglichen Karriere-Ende, als Sie schwanger wurden? Sie schüttelt den Kopf. „Nein. Ich hatte vorher schon wunderbare Kollegen und Vorgesetzte, die mich förderten und unterstützten. Daran änderte sich auch nichts, als ich Mutter wurde. Es war klar, dass ich zurückkommen werde. Meine Chefs haben mir vertraut, dass mein Mann und ich es zu Hause mit unseren Drillingen schon hinbekommen werden. Und dass ich auch als Mutter einen tollen Job machen kann.“

Die dreijährige Elternzeit teilte sie sich mit ihrem Mann Mark (53), einem Anwalt. „Die ersten anderthalb Jahre blieb ich zu Hause, dann übernahm mein Mann die Kinder. Wir beide haben diese Zeit voll genossen. Es war schön mit den Kindern, und es ist heute schön, wenn wir wieder mehr zu zweit machen. Mein Mann und ich managen unsere Familie als Team. Jede Epoche hat seine Vorzüge.“

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Ihren Mitarbeitern lebt sie vor, dass beides geht, Erfüllung im Beruf und im Privaten. „Ich wurde als berufstätige Mutter immer unterstützt von meinen Vorgesetzten. Sie entschieden danach, wer die beste Leistung bringt, unabhängig, ob Mann oder Frau. Es ist mir ein Bedürfnis, diese Erfahrungen an junge Mütter und Väter in meinem Team zurückzugeben. Flexibles Arbeiten, Homeoffice und Jobsharing sind normal geworden im Unternehmen. Wenn ich weiß, dass der Kindergarten erst um 8 Uhr öffnet, fangen wir das Meeting eben erst um 8.30 Uhr an.“

Als Mutter lerne sie auch vieles für den Umgang mit ihren Kunden. „Ich bin nah dran, an den Sorgen, Nöten, Ideen, Visionen und Ängsten, welche die Generation meiner Kinder bewegt. Das hilft mir, unser Marketing auf die Bedürfnisse junger Käufer auszurichten. Wir müssen neue Wege gehen, Marketing wird längst nicht mehr so gemacht wie vor 30, 40 Jahren. Wir erreichen die Jungen sicher nicht mit einem Werbefilm im Fernsehen. Künstliche Intelligenz und Social Media spielen bei Mercedes längst eine große Rolle.“

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Ihre Leidenschaft für Autos und schnelles Fahren habe sich seit 1992, als sie bei Mercedes anfing, „kein bisschen“ verändert. „Ich liebe Autos! Als ich gestern mit der neuen elektrischen G-Klasse auf dem Werksgelände parkte, blieben viele Mitarbeiter stehen, um Fotos vom Auto zu machen. Das macht mich stolz.“ Privat fahre sie seit wenigen Tagen einen EQS SUV, erstmals nicht komplett in Schwarz, sondern außen dunkelgrün, innen schwarz. „Privat fahre ich auch gern mal ein Cabrio oder einen Smart.“

Hand aufs Herz: Fahren Sie lieber Elektro oder AMG? „Ich fahre tatsächlich viel Elektro und würde auch nie wieder davon abweichen. Die Ruhe und Kultiviertheit eines Elektromodells finde ich unschlagbar. Aber manchmal nehme ich mir auch einen AMG und genieße es, den lauten, röhrenden Sound zu hören. Das sind zwei gänzlich verschiedene Fahrerlebnisse.“ Strafzettel bekomme sie bei privaten Fahrten „so gut wie keine, da ich meistens mit Tempomat fahre“. Dienstlich bevorzugt sie den EQS, den lenkt ihr Fahrer.

Britta Seeger ist nahbar und herzlich, und wahrscheinlich ist auch das Teil ihres Erfolgs. Die gebürtige Rheinländerin (Bonn) lacht viel im Gespräch mit BILD, sie hört ihrem Gegenüber zu, stellt selbst Fragen. Sie trägt fast immer Hosen, Sneaker, Lederjacke, am liebsten alles in Schwarz. „Sie werden privat bei mir keinen Unterschied finden, ich bin immer dieselbe Britta.“

Offen erzählt sie über ihre Kindheit: Ein vier Jahre älterer Bruder, der Vater arbeitete bei Daimler, die Mutter kümmerte sich um Kinder und Haushalt. „Ich war ein Wildfang. Ich hatte eine Puppe, die ich über alles liebte. Aber die meiste Zeit spielte ich draußen mit anderen Kindern, Räuber und Gendarm, Fußball, Verstecken. Meine Eltern gaben uns alle Freiheiten, vertrauten uns. Meine Mutter erzählt gern, das erste Wort, welches ich sagen konnte, war: ‚alleine‘. Ich wollte nie an ihrer Hand gehen. Als Dreijährige war ich einmal mit ihr im Supermarkt und plötzlich war ich weg. Meine Mutter drehte fast durch vor Angst. Mir war es zu langweilig, darum beschloss ich, ganz allein nach Hause zu laufen. Ich war schon als Kind angstfrei.“

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Nach dem Abitur fing sie als duale Studentin der Berufsakademie bei Daimler-Benz an. Der langjährige CEO Dieter Zetsche (bis Mai 2019) berief Seeger in den Vorstand, mit dessen Nachfolger Ola Källenius arbeitet sie ebenso eng zusammen. Drei Frauen gehören dem Vorstand der Mercedes-Benz Group AG an, der Frauenanteil in leitenden Führungspositionen liegt weltweit bei nahezu 26 Prozent.

„Warum soll ich das Unternehmen wechseln? Ich wollte immer international und mit Menschen arbeiten, das mache ich. Mit meiner Familie zog ich für den Job nach Seoul, danach ging ich für ein Jahr in die Türkei, erlebte 2016 live den Militärputsch in Istanbul. Diese Erfahrungen haben uns als Familie noch enger zusammengeschweißt, das sind bleibende Erinnerungen fürs Leben.“

Die Pläne für den Sommerurlaub diskutiert Britta Seeger noch mit ihrem Mann, letztes Jahr erkundeten sie Usbekistan.

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